Handel unter Beschuss

„Die Weltwirtschaft kann keine weiteren politischen Fehltritte verdauen“, meint Sintje Boie, Analystin bei der Hamburg Commercial Bank

In seinem neuen World Economic Outlook (WEO) von April warnt der Internationale Währungsfonds (IWF) eindringlich vor politischen Fehltritten, die das globale Wachstum weiter beeinträchtigen könnten. Denn die Weltwirtschaft schwächt sich ab und gleichzeitig haben die einzelnen Länder weniger Spielraum, mit fiskalischen Maßnahmen auf Rezessionen zu reagieren. Der IWF geht davon aus, dass sich das Wachstum der Weltwirtschaft von 3,6 % im vergangenen Jahr auf 3,3 % 2019 verlangsamen dürfte. 2020 könnte es wieder etwas an Geschwindigkeit aufnehmen. Damit wurden die Prognosen um 0,4 und 0,1 Prozentpunkte für 2019 und 2020 im Vergleich zum WEO vom Oktober 2018 nach unten korrigiert.

Das globale Expansionstempo hat sich seit der zweiten Jahreshälfte 2018 verringert. Die Gründe dafür sind zahlreich: Das chinesische Wachstum ist aufgrund regulatorischer Maßnahmen im Schattenbankensektor schwächer ausgefallen und die Konjunkturdynamik in der Eurozone ist mit den Problemen der deutschen Automobilindustrie bei der Einführung neuer Emissionsstandards und dem Rückgang von Investitionen in Italien im Zuge steigender Staatsanleihen-Spreads zurückgegangen.

Aber über allem schweben die globalen Unsicherheitsfaktoren – namentlich der Brexit und insbesondere der von der US-Administration heraufbeschworene Handelskonflikt –, die zu einer starken Verunsicherung geführt haben, Investitionen hemmen und auf die Stimmung drücken. Das schon jetzt höhere Protektionismusniveau angesichts neuer beschlossener Zölle belastet die Handelsaktivität der betroffenen Länder. Das geringere Wachstum dieser Länder macht sich wiederum indirekt negativ bei anderen Ländern bemerkbar. Gleichzeitig hinterlassen die Risikofaktoren ihre Spuren an den internationalen Finanzmärkten. Anleger hadern mit der Frage, ob es zu einem ungeordneten Brexit und einem Handelskrieg mit unabsehbaren Folgen für die Weltwirtschaft kommt und positionieren sich entsprechend vorsichtig.

Man kann sagen: Der Handelskonflikt vor allem zwischen den USA und China hat die Abschwächung der Weltwirtschaft befeuert. Umso positiver wurden Meldungen aufgenommen, wonach die derzeit laufenden Handelsgespräche zwischen den USA und China gute Fortschritte machen und man möglicherweise kurz vor dem Abschluss eines Handelsabkommens stehe. Allerdings könnten die letzten noch offenen Punkte recht kritisch werden. Nichtsdestotrotz hat dies an den Finanzmärkten wieder zu einer höheren Risikoneigung bei den Investoren geführt.

Selbst der US-Administration unter Präsident Donald Trump dürfte nicht entgangen sein, was der eingegange Handelskonflikt für negative Auswirkungen auf die Weltwirtschaft hat. Klar ist natürlich, dass die USA ganz eigene Ziele in ihrer Handelspolitik verfolgen und einige davon – einen besseren Schutz geistigen Eigentums bei der chinesischen Industriepolitik oder eine stärkere Öffnung des chinesischen Marktes für ausländische Unternehmen zu erreichen – durchaus nachzuvollziehen sind. Auf längere Frist wollen die USA unlautere Wettbewerbsvorteile der Chinesen abbauen und eine strategische Schwächung des Landes in die Wege leiten. Aber letztlich werden die Schwächung der Weltwirtschaft und die Reaktionen darauf an den Finanzmärkten ebenfalls die USA treffen und das kann der US-Regierung nicht egal sein – auch nicht mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen 2020.

So ganz klar scheinen die Risiken für das globale Wachstum den USA nicht zu sein. Denn die Amerikaner haben neben China ein neues Fass aufgemacht. So wollen sie gegen die EU neue Zölle im Volumen von 11 Mrd. US-Dollar erheben, diese sollen für Schäden kompensieren, die sich aus staatlichen Subventionen der EU für den Flugzeugbauer Airbus ergeben. Die EU hat daraufhin mit Gegenmaßnahmen gedroht. Der Handelsstreit mit der EU hatte zunächst geruht, scheint jetzt aber wieder in Bewegung zu kommen. Diese Art der Politik gehört ganz eindeutig in den Bereich, vor dem der IWF warnt. Denn sie kurbelt die Abwärtsspirale für die Weltwirtschaft weiter an.

Sintje Boie

Marketingmitteilung

Dr. Cyrus de la Rubia

Chefvolkswirt

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