Dr. Cyrus de la Rubia
Chefvolkswirt
Zum Kontaktformular„Die Iran-Sanktionen werden Wirkung zeigen, aber den Ölpreis nur kurzfristig in die Höhe treiben, meint Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt bei der Hamburg Commercial Bank
Die USA haben die Iran-Sanktionen verschärft, woraufhin die Ölpreise einen kräftigen Sprung nach oben gemacht haben. Die ölproduzierenden Länder freuen sich über den unverhofften Einnahmenzuwachs. Aber: Wie nachhaltig wird dieser Preisanstieg sein? Dies hängt im Wesentlichen von zwei Fragen ab: Erstens, wie effektiv sind die verschärften Sanktionen der USA? Zweitens, wie weit sind die OPEC-Staaten willens und in der Lage, einen möglichen Ausfall an Ölförderung zu kompensieren? Für die Preisentwicklung entscheidend ist schließlich, inwieweit sich der Iran gegen die Maßnahmen wehren wird, etwa durch die Blockade der Straße von Hormus, einem Nadelöhr für Ölausfuhren aus dem Nahen Osten.
Zur Effektivität der US-Sanktionen kann man zunächst festhalten, dass diese in den vergangenen Monaten sehr wirkungsvoll waren. Die USA hatte im Mai 2018 das Iran-Abkommen aufgekündigt und sanktioniert grundsätzlich den Bezug von Öl aus dem Iran. Acht Staaten, darunter China, Indien, Japan und die Türkei, wurden Ausnahmeregelungen zugestanden. Seitdem sind die Exporte von 2,4 Mio. Barrel/Tag auf 1,3 Mio. Barrel/Tag gefallen. Jetzt hat die US-Administration entschieden, dass die bis zum 2. Mai geltenden Ausnahmeregelungen auslaufen werden.
Zwar haben China und die Türkei gegen diese neue Regelung protestiert, aber wir sind skeptisch, ob man offen gegen die US-Bestimmungen verstoßen wird. Bei der Türkei liegt das unter anderem daran, dass private Unternehmen nicht das Risiko eingehen wollen, bei einem Verstoß gegen die US-Sanktionen in US-Gerichtsverfahren mit Haftandrohung verwickelt zu werden. Das Gleiche erwarten wir für Indien und Japan. In China dürften die laufenden Verhandlungen über die Handelsbeziehungen mit den USA die Regierung davon abhalten, das Importverbot gänzlich zu ignorieren.
Iran ist durch jahrzehntelange Erfahrung geübt darin, Sanktionen zu umgehen. Die derzeitigen Ausfuhren dürften daher sicher nicht – wie von den USA angestrebt – auf Null sinken, aber dennoch ist mit einer empfindlichen Reduktion der Ölexporte auf deutlich unter 1 Mio. Barrel/Tag zu rechnen.
Wird die OPEC dieses reduzierte Ölangebot kompensieren können und wollen? Gemäß der amerikanischen Energieagentur EIA ist die OPEC in der Lage, ihr Angebot kurzfristig um 1,9 Mio. Barrel/Tag zu erhöhen. Angesichts des gestiegenen Ölpreises ist es zudem besonders attraktiv, die Einnahmen durch eine höhere Förderung zu steigern. Daher dürfte es den Kartellmitgliedern schwer fallen, sich beim nächsten Treffen am 25. Juni auf eine gemeinsame Linie zu einigen. Gegen einen nachhaltigen Preisanstieg spricht auch die Entwicklung der Ölförderung in den USA. Allein in den letzten 12 Monaten ist es der US-Fracking-Industrie gelungen, 1,2 Mio. Barrel/Tag mehr aus dem Boden zu holen.
Und dann ist da noch die Konjunktur. Vieles sieht danach aus, dass wir uns insbesondere in den USA im späten Stadium des Konjunkturzyklus befinden und der Aufschwung in absehbarer Zeit zu einem Ende kommt. Dies impliziert weniger Ölnachfrage und würde auf eine weniger disziplinierte OPEC bzw. auf ein relativ hohes Ölangebot stoßen.
Was ist schließlich mit der Straße von Hormus? Könnte eine Blockade dieser Meerenge den Ölpreis auf beispielsweise 100 US-Dollar/Barrel katapultieren? Die Straße von Hormus wird in erster Linie von Saudi-Arabien, Iran, den Vereinigte Arabischen Emiraten sowie Kuwait und dem Irak genutzt. Jeden Tag wird hier rund 30 % des über den Seeweg transportierten Rohöls durchgeschleust. Insofern lautet die Antwort: Ja, eine Preisexplosion wäre bei einer Blockade auf jeden Fall zu erwarten. Aber: Eine derartige Blockade durch den Iran ist unwahrscheinlich, denn Teheran ist selber auf die Passierbarkeit dieses Seewegs angewiesen, um Ölprodukte zu importieren. Außerdem würde dies das ohnehin äußerst angespannte Verhältnis zwischen dem Iran und Saudi-Arabien erheblich belasten.
Auch wenn sich zunächst die Ölpreisrallye noch fortsetzen dürfte, bleiben wir angesichts der zu erwartenden OPEC-Reaktionen, den weiteren Bohraktivitäten in den USA und einer sich abschwächenden Konjunktur bei der Prognose fallender Preise. Die Freude über die höheren Preise dürfte daher bei den ölproduzierenden Länder nur von kurzer Dauer sein.
Cyrus de la Rubia
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