Finanzmärkte nachhaltig gestalten

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„Die Transparenz ermöglicht eine Einigung darüber, was wirklich nachhaltig bewertet werden kann. Eine internationale Standardisierung und damit eine Vergleichbarkeit zu schaffen, das ist die Aufgabe des Rechts und der Politik.“ Mit seinem Hauptvortrag „Wie lassen sich Finanzmärkte nachhaltig gestalten?“, eröffnete Prof. Dr. Wolf-Georg Ringe, vom Institut Law and Economics der Universität Hamburg die 10. Kapitalmarktkonferenz. Ringe, der auch eine dauerhafte Gastprofessur an der Universität Oxford hat, betonte, politische Grabenkämpfe könnten die Glaubwürdigkeit der Taxonomie unterminieren. Weitere Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft widmeten sich der leitenden Frage der diesjährigen Tagung „Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft – Erfolgsstraße oder Sackgasse?“ im Anschluss in Impulsreferaten. Dr. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank verwies in seinem Vortrag „Klimanachhaltigkeit finanzieren – Marktkräfte nutzen“ auf die kurzfristig bremsende Auswirkung des Überfalls der Ukraine durch Russland auf die Transition hin zu Klimaneutralität: „Das erhöhe den Druck auf den öffentlichen Sektor“, so de la Rubia. Insgesamt sei die Entwicklung von Investmentfonds mit einem Klimalabel zwar enttäuschend, das Potential dafür aber umso größer. Im Gespräch stellte der Chefvolkswirt der HCOB nur vermeintlich widersprüchliche Aspekte gegenüber: „Wie passt die enorm energieintensive Produktion von raffiniertem Kupfer in eine nachhaltige Welt?“ Besser als man denkt, so die Antwort, denn Kupfer sei einer der Rohstoffe, ohne die die Energiewende undenkbar ist: „Denken Sie beispielsweise an die Stromleitungen, die den Strom von den windreichen Regionen im Norden in den industrielastigen Süden abtransportieren sollen.“ Auch die Frage nach der Nachhaltigkeit der Produktion von Waffen sei vor dem Hintergrund des Überfalls Russlands auf die Ukraine, nicht mehr mit der Selbstverständlichkeit zu verneinen, wie es noch vor einem Jahr der Fall gewesen sei, so de la Rubia.

Und wie hat eben der Ukraine-Konflikt die Voraussetzungen für eine Verzahnung von Finanzmärkten und Klimaschutzzielen geändert, jetzt, wo die Prioritäten sich in Richtung einer Lösung der akuten Energiekrise zu verschieben scheinen? Und bietet die Taxonomie für ESG-Assets einen Ansatzpunkt, um die Finanzmärkte beim Erreichen einer CO2-neutralen Welt einzubinden? Diese Themen wurden im Anschluss an de la Rubia auch von den weiteren Experten, Rainer Verhoefen von Aurubis und Christian Otto von der Deutschen Bundesbank beleuchtet. So stellte der Finanzvorstand der Aurubis AG, Verhoefen, in seinem Impulsvortrag „“Nachhaltigkeit als Kriterium für den Kapitalmarkt“ sechs neue Key-Performance-Indicators vor, die die Ambitionen von Aurubis im Bereich Nachhaltigkeit unterstreichen. Nachhaltigkeit gehe dabei aber nicht ohne Wirtschaftlichkeit, so Verhoefen. Auch Christian Otto von der Deutschen Bundesbank unterstrich in seinem Vortrag, vor welche Herausforderungen der Aspekt Nachhaltigkeit den Bankensektor stelle: „Die aufsichtlichen Anforderungen werden in Zukunft weiter steigen.“ Nachhaltigkeitsrisiken würden sukzessive in den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess integriert werden. „Ohne Nachhaltigkeit keine zukunftsfähigen Geschäftsmodelle und Erträge bei den Banken“, so Otto.

Mehr als 90 Teilnehmer:innen waren bei der 10. Kapitalmarktkonferenz in Hamburg dabei, um die Fragen der nachhaltigen Transformation der Finanzwirtschaft vor dem Hintergrund der aktuellen geopolitischen Verwerfungen und wirtschaftlichen Entwicklungen zu diskutieren. Gerade die Podiumsdiskussion der Experten zeigte dabei eindrucksvoll die vielen Aspekte der Transformation hin zu einer stärker durch Nachhaltigkeit geprägten Finanzbranche.

Dr. Cyrus de la Rubia

Chefvolkswirt und Head of Research

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