Der Wochenkommentar

Der Wettlauf um Subventionen

Februar 2023 Grün ist die Zukunft, und sie ist gepflastert mit Konfliktpotenzial. Ein Beispiel ist der derzeitige transatlantische Streit über Subventionen für klimaneutrale Technologien.
Ein Kommentar von Dr. Cyrus de la Rubia

Dr. Cyrus de la Rubia

Für Ordoliberale, die üblicherweise dem Staat nur die Rolle zuweisen möchten, für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen, sind sie ein Graus: Subventionen. Es gibt eigentlich nur eine Sache, die für Ordoliberale noch schlimmer ist: Der Wettlauf um Subventionen. Genau das bahnt sich gerade zwischen der EU und den USA bei der Förderung von grüner Technologie an. Denn die EU überlegt derzeit fieberhaft, wie sie auf die industriepolitischen Ambitionen Amerikas reagieren soll.

Aber der Reihe nach. Beginnen wir zunächst mit dem 369 Mrd. US-Dollar schweren US-Subventionsprogramm, mit dem Unternehmen, die in den USA grüne Investitionen durchführen, über zehn Jahre gefördert werden sollen. Dies geschieht im Rahmen des sogenannten Inflation Reduction Acts (IRA), dessen Name sich einem nicht unmittelbar erschließt, sorgen die höheren Ausgaben doch kurzfristig eher für höhere Preise, zumal zum IRA auch ein protektionistisches Regelwerk gehört. Beispielsweise sind hohe Steuervergünstigungen für E-Autos vorgesehen, sofern die dort verwendeten Batterien überwiegend in den USA produziert wurden. Gleichzeitig werden Technologieexporte insbesondere nach China behindert und auch Importe von Technologieprodukten (etwa von dem chinesischen Unternehmen Huawei) sind aus sicherheitspolitischen Erwägungen eingeschränkt. Das alles sind Maßnahmen, die die Produktion tendenziell verteuern.

Die Biden-Regierung versucht mit diesem Maßnahmenpaket gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Die grüne Transformation soll gelingen, während gleichzeitig alles unternommen wird, um nicht von chinesischer Technologie abhängig zu werden. Auf diese Weise wird außerdem – so die Hoffnung – der Produktionsstandort USA für klimaneutrale Technologien gestärkt. Mit Hilfe der protektionistischen Elemente gewinnt Biden nicht nur Rückhalt unter den Demokraten, sondern er gewinnt durch seine Offensive gegen China auch ein gewisses Wohlwollen von Seiten republikanischer Wähler – und möglicherweise bessere Chancen die Schuldenbremse bald mit Hilfe des republikanisch dominierten Abgeordnetenhauses zu erhöhen.

So weit so gut. Vergessen wurde bei dieser ganzen Angelegenheit aber offensichtlich der Bündnispartner EU. Denn viele protektionistische Maßnahmen der USA gelten auch gegen die EU und Subventionen können leicht dazu führen, dass Unternehmen, die eigentlich in der EU in eine klimaneutrale Technologie investieren wollten, sich für die USA entscheiden. Für das Klima wäre damit nichts gewonnen, der Standort EU würde hingegen verlieren. Und so versucht Europa auf zwei Ebenen zu reagieren. So sind Anfang Februar Wirtschaftsminister Robert Habeck und sein französischer Amtskollege Bruno Le Mair nach Washington geflogen, um sich für mehr Gleichbehandlung von EU-Unternehmen in den USA einzusetzen. Das ist gut, zumal sie mit dem Binnenmarkt von rund 450 Millionen Einwohnern und Konsumenten eine klare Trumpfkarte in der Hand halten. Denn man könnte den Zugang zu diesem Binnenmarkt für US-Unternehmen weiter einschränken oder ihn erleichtern – beides ist möglich. Gleichzeitig schlägt die EU-Kommission einen Green Deal-Industrieplan vor. Unter anderem sieht dieser vor, Unternehmen aus der EU die gleichen Subventionen und Steuernachlässe zu gewähren, die sie in den USA (oder anderen Ländern) in Aussicht gestellt bekommen, wenn es seinen Standort nicht verlagert – eine Art Halteprämie. Das lädt natürlich geradezu zu einem Subventionswettbewerb ein, der zu Lasten von Innovationen und Effizienzsteigerungen gehen kann. Ein anderer Vorschlag ist, dass die Regeln für Beihilfen temporär (bis 2025) gelockert werden, so dass die nationalen Regierungen mehr tun können. Hier üben, nicht ganz ungerechtfertigterweise, Regierungen mit schwächeren Finanzen Kritik, weil dies den finanzstarken Staaten Vorteile verschafft und den Wettbewerb insofern innerhalb der EU verzerrt. Genau das soll ja durch die Beihilferegelungen eigentlich verhindert werden. Tatsächlich möchte etwa die Ampelkoalition in Deutschland allein von 2023 bis 2026 rund 180 Mrd. Euro für den Klimaschutz ausgeben, Summen, die andere ähnlich große Länder kaum in der Lage sind aufzubringen. Hier überlegt man in der EU-Kommission, nicht genutztes Geld aus dem europäischen Corona-Aufbaufonds für Steuernachlässe zu nutzen und auf diese Weise etwas mehr wettbewerbliche „Gerechtigkeit“ zu schaffen. Gefördert werden soll unter anderem die Produktion von Solarpannels, Batterien, Windkraftanlagen, Wärmepumpen und Elektrolyseuren.

Während hier also noch einmal dringend nachgeschärft werden muss, gibt es einen Bereich, wo der Wettbewerb zwischen den USA und der EU in Sachen grüner Technologie aber äußerst gute Ergebnisse bringen kann. Dazu eine Einschätzung von der Beratungsgesellschaft McKinsey zum US-Markt: Es kann bis zu fünf Jahre dauern, um die Genehmigung für einen Solarpark und sogar bis zu sieben Jahre, um die Genehmigung für einen Windpark zu erhalten. Das kommt Ihnen sicherlich bekannt vor, denn Ähnliches ist ja immer wieder in Bezug auf Genehmigungsverfahren in Deutschland und anderen europäischen Ländern zu beobachten.

Das Entscheidende ist: Der Kampf um Marktanteile in der wachsenden Industrie nachhaltiger Technologien hat gute Chancen zu einer drastischen Verkürzung der Genehmigungsprozesse jenseits und diesseits des Atlantiks zu führen. Dies wäre vermutlich mehr Wert als viele Milliarden an Subventionen.

Insgesamt unterstützen Investitionen in grüne Technologien, die die Abhängigkeit der EU und der USA von fossilen Brennstoffen reduzieren, den Weg hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Dass es bessere Wege gäbe, dieses Ziel zu erreichen, ist unbestritten. Und es wäre gut, wenn sich die Politik für eine effizientere Nutzung der knappen Ressourcen, die für die grüne Transformation bereit stehen, einsetzt. Klar ist aber auch, dass Investitionen in Nachhaltigkeit, die aus einem zweitbesten Förderprogramm resultieren, besser sind als keine Investitionen, Ordoliberalismus hin oder her.

Dr. Cyrus de la Rubia

Chefvolkswirt und Head of Research

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