Der Wochenkommentar

IMF als weißer Ritter

April 2021 Durch die Ausgabe von Sonderziehungsrechten von bis zu 650 Milliarden US-Dollar möchte der Internationale Währungsfonds (IWF) in der Pandemie die Liquidität der Entwicklungsländer verbessern. Damit trägt der IWF dazu bei, dass ärmere Länder die Corona-Krise besser überwinden können. Möglich wurde das auch durch den Regierungswechsel in den USA


Balkendiagramm

Die letzte Ausgabe der Special Drawing Rights (SDR) liegt bereits 12 Jahre zurück. Im Anschluss an die Finanzkrise wurde ein Gegenwert von $ 250 Mrd. emittiert. Die weltwirtschaftliche Erholung wurde dadurch erfolgreich gestützt und auch dieses Mal verspricht man sich laut Sprecher Gerry Rice einen Schub für Vertrauen und Wachstum. Im Kampf mit der Pandemie werden Mittel frei, Impfkampagnen und andere wichtige Maßnahmen erhalten Unterstützung. Da stellt sich die Frage, warum solche Schritte nicht schon längst unternommen wurden. Nun, die umtriebige Bulgarin Bulgarin Kristalina Georgieva - Nachfolgerin von EZB-Präsidentin Christine Lagarde - drängt bereits seit einem Jahr, scheiterte aber lange am starken Widerstand der alten US-Administration unter Donald Trump. Unter Joe Biden zeichnet sich jetzt ein Umdenken ab. Gehen wir aber kurz nochmal auf die Institution IWF ein

Bretton Woods

Der IWF und die Schwesterorganisation, die Weltbank, haben ihren Ursprung im Bretton-Woods-System fester Wechselkurse, welches im Juli 1944 in dem Ferienort des US-Bundesstaates New Hampshire geschaffen wurde. Dieses System wurde dann 1973 aufgehoben und die Wechselkurse wieder frei gegeben. Die Institutionen blieben aber und sollten in erster Linie die internationale Zusammenarbeit in Fragen der Währungspolitik, des Welthandels und der Finanzmärkte dienen. Die Ausgabe kurzfristiger Kredite zum Ausgleich von Zahlungsbilanzdefiziten gehört als wichtiger Punkt genauso auf den Programmzettel - für die Bewältigung solcher Krisen wie der Corona-Pandemie also geradezu wie geschaffen.

Aber so einfach verhält es sich nicht. Aktuell hat der IWF 189 Mitgliedsstaaten, deren Stimmanteil sich an ihrem Kapitalanteil bemisst. Sechs der G7-Staaten haben auch die größten Anteile: USA 16,51 %, Japan 6,15 %, Deutschland 5,32 %, Frankreich und Großbritannien je 4,03 % und Italien mit 3,02 %. China besitzt mit 6,08 % die drittgrößte Stimmgewalt. Der Pferdefuß liegt nun darin, dass Beschlüsse nur mit einer Mehrheit von 85 % getroffen werden können. Die USA allein und alle EU-Staaten gemeinsam (total 22,53 %) besitzen daher jeweils de facto eine Sperrminorität.

Im Laufe seiner Geschichte musste der IWF vielerlei Kritik über sich ergehen lassen. In der Staatsschuldenkrise Griechenlands haben deren Ökonomen (Blanchard / Leigh) sogar selbst über eigene Fehler berichtet. Interessant ist auch, wer eigentlich den Löwenanteil der IWF-Beiträge zur Bestreitung der administrativen Ausgaben trägt. 1982 war das Verhältnis in etwa bei ein Viertel zu drei Viertel zugunsten der (hoch industrialisierten) Gläubigerstaaten, während sich dies nur 20 Jahre später völlig ins Gegenteil verkehrt hat, so dass die Schuldnerstaaten nun 75 % tragen. Immerhin kam man 2010 im Rahmen des G20 überein, einigen Schwellenländern mehr Stimmrecht zu gewähren. Kommen wir nun mehr auf die Sonderziehungsrechte zu sprechen.

Special Drawing Rights

Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich im Prinzip nichts anderes als eine künstliche Währung, die durch den IWF im Oktober 1969 eingeführt wurde. Die SDR bzw. SZR stellen eine internationale Währungsreserve dar, die notleidenden Ländern zusätzliche Liquidität verschaffen kann. Wird eine Neuvergabe beschlossen, so erfolgt die Verteilung im Verhältnis zur IWF-Quote an alle Mitgliedsländer. Das heißt natürlich, dass wohlhabendere Staaten auch mehr SZR erhalten. Ja, aber was bringt das den wirklich Bedürftigen, möchte man fragen? Relativ gesehen, erhalten die Mitgliedsstaaten mit niedrigem Einkommen einen proportional größeren Anstieg an Währungsreserven. Mit den SZR können andere Währungen sinngemäß gezogen werden, um die eigene Zahlungsfähigkeit wieder zu erhöhen. Es können damit auch Schulden zurückgezahlt werden oder als Währungsreserve verwendet werden.

Diese Reserveguthaben werden allerdings nicht an den Devisenmärkten gehandelt, sondern auf IWF-Konten eher wie Buchkredite geführt. Sonderziehungsrechte haben dennoch mit XDR einen eigenen ISO-Code. Der Wechselkurs, der sich nach einem Währungskorb aus den international wichtigsten Währungen richtet, wird vom IWF festgesetzt. Seit Oktober 2016 ist der Renminbi zusätzlich in den Korb neben Dollar, Euro, Yen und Pfund aufgenommen worden. Für die Chinesen war das ein echter Meilenstein bei ihren Bemühungen zur Internationalisierung ihrer Währung. Der Einfluss Chinas wächst also auch auf diesem Gebiet. Der Renminbi erhielt zum Einstieg eine Gewichtung von 10,9 % gleichbedeutend mit einer Senkung des Dollaranteils auf 41,7 %, des Euro auf 30,9 %, des Yen auf 8,3 % sowie des Pfund auf 8,1 %. Ein SZR enthält seitdem den Wert aus der Summe von 0,58252 USD, 0,38671 EUR, 0,085946 GBP, 11,90 JPY und 1,0174 CNY. Die Gewichtung gilt zu Beginn einer jeden Fünfjahresperiode und ändert sich relativ gesehen je nach Auf- bzw. Abwertung zu den übrigen Korbwährungen.

Umdenken

Kommen wir zurück auf das aktuelle Geschehen. Die Nachricht, dass sich die G20 im Februar darauf verständigt hat, eine neue Zuteilung von Sonderziehungsrechten vorzunehmen, begrüßt beispielsweise Jose Antonio Ocampo, Vorstandmitglied der kolumbianischen Zentralbank und Professor an der Columbia University, als großartig. Zeigte die Corona-Pandemie die Unzulänglichkeit der internationalen finanziellen Zusammenarbeit nur allzu deutlich, findet jetzt anscheinend auch in den Vereinigten Staaten ein Umdenken statt. Lehnte Steven Mnuchin als Trumps Finanzminister eine neue SZR-Zuteilung im vergangenen Jahr noch ab, erkennt die neue US-Finanzministerin Janet Yellen nun an, dass der Plan der G20 bzw. des IWF auch im nationalen Interesse der USA liege. Gleichwohl mahnt sie eine größere Transparenz bei der Verwendung der SZR an.

Natürlich sollte der Umfang der Zuteilung so hoch wie möglich sein. Um sich aber nicht von der Zustimmung des US-Kongresses abhängig zu machen, sollten der Gesamtwert der IWF-Quoten in Höhe von 650 Milliarden US-Dollar nicht überschritten werden. Eine formale Abstimmung wäre solange nicht erforderlich. Republikaner im Kongress kritisieren weiterhin scharf, dass neue SZR den bedürftigsten Ländern kaum etwas bringe, aber gleichzeitig freie Reserven an Gegenspieler wie China, Russland, Iran und andere fließen.

Nach vorne blickend kommt der IWF wohl nicht ohne Reformen aus. Ocampo und andere haben hier eine ganze Reihe von Vorschlägen zu machen, um das Instrument der Sonderziehungsrechte zu reformieren, zu modernisieren. Zuerst solle doch grundsätzlich die Frage der doppelten Buchführung geklärt werden. Der IWF unterscheidet zwischen „allgemeinen Ressourcen“ und SZR-Konten. Damit versacken ungenutzte SZR zu irrelevanten Buchungseinträgen. Mehr als vier Fünftel aller zugeteilten SZR entsprächen dieser Beschreibung. Den Ländern mit dem größten Bedarf, also vornehmlich Entwicklungsländer, größere Zuteilungen einzuräumen, wäre ein weiterer Weg.

Christian Eggers

Dr. Cyrus de la Rubia

Chefvolkswirt und Head of Research

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