Der Wochenkommentar

IWF Ausblick: Nüchterner Blick nach vorne

Februar 2023 Der Internationale Währungsfonds sieht mit etwas mehr Optimismus in die Zukunft, wird aber keineswegs überschwänglich – zurecht.
Ein Kommentar von Dr. Cyrus de la Rubia

Dr. Cyrus de la Rubia

Ende Januar hat der Internationale Währungsfonds (IWF) seinen weltwirtschaftlichen Ausblick vom Oktober überprüft und die Prognose für das globale Wirtschaftswachstum in 2023 um 0,2 Prozentpunkte auf 2,9 % nach oben angehoben. Das ist wahrlich nicht sensationell, aber zeigt dennoch, dass die Gefahr eines Absturzes der Weltwirtschaft, die ja in den vergangenen Monaten durchaus diskutiert wurde, deutlich geringer geworden ist.

Aufwärtsrevision

Die Ursachen für diese leicht besseren Aussichten sind vielfältig. Ins Gewicht fällt vor allem der China-Effekt. Das unerwartete Ende der praktisch drei Jahre währenden Null-Covid-Politik sollte dazu führen, dass der private Konsum und der Tourismus in China wieder kräftig anspringen und das BIP um 5,2 % wächst. Das ist eine deutliche Beschleunigung gegenüber 2022 (3,0 %) und fast einen Prozentpunkt höher als im Oktober noch erwartet. Wir sind sogar noch etwas optimistischer und gehen von einem BIP-Zuwachs von 5,8 % aus. Ein anderer Grund für die Aufwärtsrevision des globalen Wachstums ist schlicht, dass viele Länder das Jahr 2022 besser überstanden haben als erwartet. Hieraus ergibt sich ein statistischer Effekt, weil die Länder von einer höheren Startposition aus in das laufende Jahr gestartet sind. In den USA führt vor allem dieser Faktor zu einer Aufwärtsrevision des Wachstums um 0,4 Prozentpunkte auf 1,4 % und für die Eurozone ergibt sich in ähnlicher Weise eine BIP-Prognose von 0,7 % (bisher: 0,5 %). Aus unserer Perspektive bemerkenswert ist, dass für Deutschland nur noch eine Stagnation (+0,1 %) und keine Schrumpfung wie im Oktober (-0,3 %) erwartet wird.

Nicht überall sieht es besser aus

Es gibt allerdings auch ein paar Ausreißer. Großbritannien gehört dazu, wo der IWF seine Wachstumsprognose um fast einen Prozentpunkt nach unten angepasst hat, und nunmehr einen Rückgang des BIP um 0,6 % erwartet. Hier spielt eine wichtige Rolle, dass die hohen Energiepreise im Vergleich zu anderen Ländern wie Deutschland und Frankreich relativ ungefiltert an die privaten Haushalte weitergegeben wurden und den Konsum entsprechend beeinträchtigt haben. Dazu kommt eine recht starke Straffung der Geldpolitik, die die Finanzierungsbedingungen für die Unternehmen beeinträchtigt. Dass Großbritannien als Folge seines Brexit für Auslandsinvestitionen weniger attraktiv geworden ist und der Außenhandel mit größeren administrativen Hürden zu kämpfen hat, ist sicherlich auch nicht hilfreich. Ebenfalls herunterrevidiert wurde die Wachstumsprognose für Saudi-Arabien, da sich das Land zusammen mit den anderen OPEC-Ländern (inklusive der Partnerländer wie Russland) zur Kürzung der Produktionsquoten von insgesamt 2 Millionen Barrel/Tag verpflichtet hat. Auch der erwartete Rückgang des Ölpreises beeinträchtigt die Aussichten. Erwartet wird nunmehr ein Wirtschaftswachstum für Saudi-Arabien von 2,6 %, nach einem Boomjahr 2022 (8,7 %).

Welthandel wächst langsamer

Den Welthandel beurteilt der IWF im Vergleich zum Oktober mehr oder weniger unverändert. Dieser soll in diesem Jahr um 2,4 % wachsen, während die Ölpreise – so die Annahme des IWF – um rund 16 % und andere Rohstoffe (ohne Energieträger) um etwa 6 % nachgeben werden. 2021 war der Welthandel im Zuge der Nachholeffekte noch mit einer Rate von 10,4 % gewachsen und ein Teil dieser Dynamik hatte sich auch im letzten Jahr noch bemerkbar gemacht (5,4 %). Angesichts der Lieferkettenengpässe, über die in den vergangenen Jahren so stark geklagt wurde, mögen diese hohen Zuwächse der Vergangenheit überraschen. Sie zeigen aber letztlich, dass insbesondere die Handelslogistik, darunter Containerschiffe, bis zum Anschlag ausgelastet wurden. Umgekehrt bedeutet die geringere Dynamik für dieses Jahr, dass die Chancen für eine allmähliche Auflösung der Lieferketten gut stehen. Fallende Frachtraten und weniger Klagen aus der Industrie über Materialmangel deuten in diese Richtung.

Don’t fight the central banks

Auch für die Inflation ist der IWF grundsätzlich positiv gestimmt. Der Fonds geht davon aus, dass der Gipfel der weltweiten Inflationsraten im dritten Quartal letzten Jahres erreicht wurde. Allerdings wird darauf verwiesen, dass die Kernrate in vielen Regionen hoch bleibt. Insofern gibt der IWF hier noch keine Entwarnung und rechnet auch nicht damit, dass die Notenbanken ihr Inflationsziel in diesem Jahr erreichen. Vor diesem Hintergrund betont der Fonds, dass die großen Notenbanken ihre Bereitschaft deutlich gemacht haben, die Zinsen weiter anzuheben und dann auf einem relativ hohen Niveau zu belassen. Man kann diese Passage auch als Warnung an die Investoren auffassen, die ja insbesondere für die Fed anderer Meinung sind: Don’t fight the central banks!

Ausbleibender Rebound

Etwas ernüchternd ist der Blick auf die Prognosen für das Jahr 2024. Ein übliches Muster aus früheren Prognosen war, dass nach einem schwachen Wirtschaftsjahr der sogenannte Rebound kommt und die jeweilige Volkswirtschaft mit Stärke glänzt und an den alten Entwicklungspfad wieder anknüpft. Das ist dieses Mal anders. Für die USA erwartet der IWF im kommenden Jahr ein geringeres Wachstum von 1,0 % (nach 1,4 % in 2023) und für die Eurozone zwar eine Beschleunigung, aber mit 1,6 % (nach 0,7 %) wahrlich keine Aktivitätsexplosion. Auch für China ist der IWF vorsichtig und spricht sogar davon, dass sich das Land perspektivisch auf ein Wachstum von unter 4 % einstellen muss (2024: 4,5 %).

Diese Vorsicht bei den längerfristigen Prognosen ist gerechtfertigt und wird auch von uns vertreten. Die Gründe für die gedämpften langfristigen Aussichten werden vom IWF nicht ausgeführt, liegen aber auf der Hand. Zum einen ist die wirtschaftliche und geopolitische Lage weiterhin fragil. Ein erleichtertes Aufatmen, das den Konsum und die Investitionen signifikant beleben würde, wird es voraussichtlich nicht geben. Weiter ist damit zu rechnen, dass die Geldpolitik eher straff bleibt und keineswegs gelockert wird. Das wirkt bremsend auf die Aktivität in 2024. Wichtig ist außerdem, dass die Produktivität nur unterdurchschnittlich steigen dürfte. Das hat mit der Demografie und der Arbeitskräfteknappheit zu tun. Diese Problematik spielt in China, wo in diesem Jahr das erste Mal seit der Aufzeichnung die Bevölkerung schrumpft und nur etwa ein Drittel der arbeitsfähigen Bevölkerung einen Abschluss an einer weiterführenden Schule hat, eine besondere Rolle.

Dr. Cyrus de la Rubia

Chefvolkswirt und Head of Research

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