Der Wochenkommentar

OPEC: Ein letztes Aufbäumen

Oktober 2021 - Der Beschluss der OPEC/OPEC+ trotz der stark gestiegenen Ölpreise die bisherige knapp gehaltenen monatlichen Förderausweitung nicht zu erhöhen ist ein vielleicht letztes Aufbäumen gegen eine Klimapolitik, die auf eine drastische Reduktion fossiler Brennstoffe setzt.

Dr. Cyrus de la Rubia

Ein komplexer Macht- und Interessenskampf an den Energiemärkten ist entbrannt, der besonders deutlich wird, wenn man den gerade erschienen Jahresbericht der OPEC dem Klimareport der Internationalen Energieagentur von Mitte diesen Jahres gegenüberstellt. Während die Erdölorganisation einen Zuwachs der Nachfrage nach Erdöl bis 2045 um 20 % prognostiziert, wird die Nachfrage laut IEA-Klimareport bis 2050 um mehr als 70 % kollabieren müssen, wenn die Klimaziele ernst genommen werden.

Vor diesem Hintergrund hält die OPEC bis 2045 Investitionen in den Ölsektor von 11,8 Billionen US-Dollar für notwendig, die IEA fordert dagegen eine massive Umlenkung des Investitionskapitals in den Sektor der erneuerbaren Energien. Angesichts des massiven Anstiegs der Erdgaspreise und dem zuletzt damit einhergehenden Anstieg der Ölpreise erhält die OPEC-Sichtweise gerade Rückenwind. Die These ist, man habe in der Vergangenheit aufgrund einer falsch verstandenen Klimapolitik zu wenig in die Förderung fossiler Brennstoffe investiert und das räche sich jetzt durch stark steigende Preise.

Eine Frage, die sich aufdrängt, ist: Warum setzt sich die OPEC derzeit so stark dafür ein, dass mehr in den Ölsektor investiert wird? Könnten die OPEC-Staaten sich nicht einfach zurücklehnen, selber investieren und sich freuen, dass ihre Nicht-OPEC-Wettbewerber nach und nach Marktanteile verlieren und die Preise für Öl und Erdgas kräftig steigen? Denn wenn die Prognose der OPEC über die künftige Entwicklung der Ölnachfrage stimmt, dann müsste ja genau das passieren.

Es gibt viele Gründe, warum sich OPEC-Staaten derzeit dafür einsetzen, dass wieder mehr Kapital in den Ölsektor fließt.

Wenn die Prognosen der OPEC tatsächlich auch nur näherungsweise zutreffen sollten, dann würden zu geringe Investitionen außerhalb der OPEC tatsächlich zu einem massiven Preisanstieg beim Erdöl führen. 200 US-Dollar/Barrel wären dann keineswegs unrealistisch. Ein derartiger Angebotsschock könnte aber eine Rezession auslösen und das ist genau das Szenario, was nicht im Interesse der OPEC-Staaten ist, denn im Zuge dieser Rezession würde auch die Nachfrage nach Erdöl kollabieren.

Außerdem stiegen im Zuge höherer Ölpreise die Innovationsanreize für alternative Energiequellen. Ein Durchbruch etwa bei Flüssigsalzreaktoren oder anderen Energiekonzepten und ein verstärkter Ausbau der erneuerbaren Energien würde die Nachfrage nach Erdöl dauerhaft senken, ein offensichtliches unerwünschtes Ergebnis der OPEC-Staaten.

Weiter sind die OPEC-Staaten teilweise auf ausländische Investitionen angewiesen. Die entsprechenden Unternehmen könnten sich vom Ölgeschäft abwenden, wenn die Klimapolitik daheim dieses Geschäftsfeld behindert.

Darüber hinaus sind die OPEC-Länder möglicherweise nicht vollkommen überzeugt davon, dass Erdöl in den nächsten Jahrzehnten tatsächlich noch so hoch im Kurs steht. Es besteht daher Interesse, Unsicherheit zu schüren, um die Investitionen in den Sektor der erneuerbaren Energien zu dämpfen und dadurch die Nachfrage nach Erdöl hoch zu halten.

Gleichzeitig ist nicht alles schwarz und weiß. Denn der Klimawandel wird natürlich auch an den OPEC-Staaten nicht spurlos vorbeigehen. Wenn es zu einem weiteren Temperaturanstieg kommt, werden auch Länder wie Saudi-Arabien, Kuwait oder Iran und Irak darunter leiden. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass die meisten OPEC-Staaten das Klimaschutzabkommen von Paris ratifiziert haben. Insofern kann die derzeitige Kritik vieler Ölstaaten an dem Vorantreiben der Klimaschutzziele durch Europa und die USA als ein letztes Aufbäumen gegen die harte Realität verstanden werden, dass das Ende der fossilen Brennstoffe begonnen hat, bevor man dann irgendwann feststellt, dass man tatsächlich massiv investieren muss. Aber nicht in den Erdölsektor, sondern in Wind, Solar und andere fossilfreie Energiekonzepte.

Dr. Cyrus de la Rubia

Chefvolkswirt und Head of Research

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