Ex-Botschafter Kornblum: Absage an Freihandelszone durch die EU wäre wirtschaftlicher „Selbstmord“

US-Diplomat sieht deutsche Wirtschaft in wachsender Abhängigkeit von Übersee
Hochrangige Expertenrunde diskutiert NSA-Skandal und Stand des transatlantischen Verhältnisses
Frank Schirrmacher: „Die nächste Welle der Enthüllungen wird sich um Industriespionage drehen“


Hamburg/Kiel, 19. November 2013 - Europa und die USA stehen mit dem geplanten Freihandelsabkommen vor einer neuen Ära der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Zugleich stehen die transatlantischen Beziehungen durch die NSA-Affäre vor einer Zerreißprobe. „Es geht in Wirklichkeit nicht um Handel. Wir stehen in Weltanschauungs-Verhandlungen“, konstatierte John Christian Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland, am Montag vor Unternehmern in Hamburg. Der Diplomat riet Europa, die Verträge nicht an Fragen des Datenschutzes scheitern zu lassen. „Die Drohung mit einem Abbruch der Verhandlung ist für mich wie Selbstverteidigung durch Selbstmord.“

Es sei nicht klug, einen Mann zum Helden zu machen, der in den USA wegen eines Kapitalverbrechens gesucht wird, mahnte der Diplomat, der seine Laufbahn als Vize-Konsul in Hamburg begonnen hatte. „Amerika ist der Mittelpunkt einer vernetzten Welt, in der sich die Spielregeln ändern und die Möglichkeiten der Politik schwinden“, sagte Kornblum auf einer Podiumsdiskussion der Mittelstandsinitiative Unternehmer Positionen Nord der HSH Nordbank. Die transatlantische Partnerschaft sei schon lange nicht mehr ausgewogen, bemerkte der Diplomat. „Europa hat im Bereich Technologie die vergangenen 20 Jahre verschlafen. Es hat mal Nixdorf gegeben, Nokia, Infineon. Da ist nicht mehr viel übrig“, sagte Kornblum, der sein Heimatland hingegen vor einem Aufstieg zu neuer Größe sieht. „Europa spielt heute keine globale strategische Rolle mehr.“

Der polarisierenden Eröffnungsrede folgte eine leidenschaftliche Gegenrede von Frank Schirrmacher, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Es geht nicht nur um die NSA - es geht auch um Amazon“, betonte der Publizist die Tragweite des Datenschutzskandals. „Die großen Technologiefirmen sind Supermächte, die im Informationszeitalter den Treibstoff der Zukunft haben.“ Schirrmacher forderte die Politik auf, den Aufbau eigener Netzstrukturen in Europa entschieden voran zu treiben, um sich als dritter Mitspieler in der Informationstechnologie zu etablieren. „Es geht nicht um Antiamerikanismus. Wir stehen vor einem Kulturbruch“, mahnte Schirrmacher, der auch Interessen der deutschen Wirtschaft gefährdet sieht: „Die nächste Welle der Enthüllungen wird sich um Industriespionage drehen.“

Die Angst vor einer amerikanischen Übermacht bezeichnete Professor Dr. Heiner Flassbeck, ehemaliger Chefvolkswirt der UNO-Organisation für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD), hingegen für übertrieben. „Die US-Wirtschaft hat sich noch immer nicht von der von ihr selbst verursachten Finanzkrise erholt“, beobachtet der Ökonom. Grund sei eine große Ungleichheit in dem Land. „Es ist zu über 80 Prozent der Konsum, der die Industrie am Laufen hält. Doch um konsumieren zu können, muss die Masse Geld haben“, argumentierte Flassbeck. Niedrige Löhne seien eine strukturelle Fehlentwicklung der Weltwirtschaft. „Deutschland ist mit seinem hohen Exportanteil das am meisten gefährdete Land, wenn der globale Handel nicht läuft.“

Auch Dr. Melinda Crane, politische Chefkorrespondentin von Deutsche Welle TV“, relativierte die Befürchtungen einer neuen Dominanz amerikanischer Unternehmen auch aufgrund billiger Energie. „Fracking wird in den USA zu optimistisch gesehen“, glaubt die Journalistin. „Es ist teurer als gedacht. Und niemand weiß, wie groß die Schiefergasreserven wirklich sind.“ Zugleich unterschätzten die Deutschen ihre eigenen Stärken, etwa was die Ausbildung qualifizierter Mitarbeiter angehe. „Für die Duale Ausbildung interessieren sich viele US-Unternehmen.“

„Vor fünf Jahren waren hier noch alle der Meinung, dass man mit Suchmaschinen kein Geld verdienen kann“, erinnerte Rainer Schmückle, Chief Operating Officer beim US-Konzern Johnson Controls. Der Erfolg etwa der Autoindustrie habe die Deutschen satt gemacht, es fehle an Bereitschaft zum unternehmerischen Risiko. „Wir sind sehr ideologisch und planen sehr lange. Manchmal zu lange“, resümierte Schmückle. „Die Amerikaner sind viel pragmatischer!“



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