Euro behauptet sich, Pfund bleibt unbeeindruckt von Brexit-Chaos

„Der Verweis der EZB auf einen großen geldpolitischen Instrumentenkoffer konnte den Euro nur kurzfristig etwas schwächen“, meint Sintje Boie von der Hamburg Commercial Bank

EUR/USD: Per saldo konnte der Euro gegenüber dem US-Dollar im Wochenverlauf zulegen, sodass EUR/USD wieder in Richtung 1,13 stieg. Derzeit liegt der Kurs bei rund 1,1280. Die Entwicklung ist interessant, denn die EZB-Zinssitzung (10.04.) konnte den Euro dabei nicht aus der Ruhe bringen und sorgte nur kurzfristig für etwas Abwärtsdruck. Zwar verkündete die EZB wie erwartet keine neuen geldpolitischen Maßnahmen, aber sie zeigte sich offen, falls nötig, alle zur Verfügung stehenden Instrumente einzusetzen. Sollte sich die Konjunktur also noch schwächer entwickeln, steht die Notenbank bereit, die Zinsen zu senken oder ein neues Kaufprogramm aufzulegen. Das bot eigentlich genug Potenzial für den Euro, nachhaltig unter Druck zu geraten. Doch der Euro schlägt sich erstaunlich wacker, vielleicht auch vor dem Hintergrund, dass die Not für die EZB schon groß sein muss, um zu neuen geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen zu greifen.

Der Euro wird unterstützt von der derzeitigen Risk-On-Stimmung der Anleger. Die Aktienmärkte verzeichnen Kursgewinne, ausgelöst durch die sehr vorsichtige Geldpolitik von EZB und Fed, die niedrige Zinsen auf Sicht der nächsten Jahre garantieren. Zudem besteht die Hoffnung bei den Investoren, dass es bei den Handelsgesprächen zwischen den USA und China demnächst zu einem Durchbruch kommt. Denn es wird kolportiert, dass die Gespräche gute Fortschritte machen. Damit könnte eine Eskalation des Handelskonfliktes vermieden werden, der die Weltwirtschaft massiv belasten würde. Doch an dieser Stelle besteht Enttäuschungspotenzial für die Märkte, denn eine belastbare Einigung bei den sehr strittigen Punkten erscheint kaum erreichbar. Das bedeutet, wohl nicht alle wichtigen Ziele dürften umsetzbar sein und so könnten diese die Märkte auch zukünftig weiter beschäftigen. Sollte es gar kein Handelsabkommen zwischen den USA und China geben, wäre die Enttäuschung noch sehr viel größer. In diesem Fall wäre die Risk-On-Stimmung der Anleger schnell beendet und der Euro könnte wieder stärker geschwächt werden.

Positiv für den Euro ist auch, dass es erst einmal nicht zu einem ungeordneten Brexit (12.04.) kommt, sondern die Austrittsfrist bis spätestens zum 31.10.2019 verschoben wurde. Doch die Hängepartie geht weiter, denn die Briten müssen dem Austrittsabkommen zustimmen, wonach es weiterhin nicht aussieht. Das hemmt die weitere Entwicklung des Euro gegenüber dem US-Dollar.

EUR/GBP: Das Pfund zeigt sich weiterhin recht unbeeindruckt von den ganzen Turbulenzen rund um den Brexit. Im Vergleich zur Vorwoche ist das GBP gegenüber dem Euro von einem Niveau von rund 0,8540 in der Spitze auf rund 0,8640 gestiegen. Das war Ausdruck dessen, dass die Marktteilnehmer nervöser wurden, ob denn die EU-Staats- und Regierungschefs tatsächlich einstimmig einer Verlängerung der Austrittsfrist für den Brexit – Deadline eigentlich 12.04., Mitternacht, – zustimmen würden. Doch so richtig Angst davor, dass es keine Verlängerung der Frist geben würde und damit ein ungeordneter Brexit drohen würde, hatte man eigentlich nicht. Dann hätte das Pfund deutlich stärker unter Abwärtsdruck gegenüber dem Euro kommen und Kurse in Richtung 0,90 einnehmen müssen.

In der Tat hat die EU auf ihrem Sondergipfel am 10.04. eine flexible Verlängerung der Austrittsfrist spätestens bis zum 31.10.2019 beschlossen. Damit ist ein ungeordneter Brexit erst einmal vom Tisch, was zu etwas Erleichterung und damit einem etwas niedrigerem Austauschverhältnis von EUR/GBP führte. „Flexibel“ heißt, dass UK auch vor Ablauf der Frist aus der EU austreten kann. Voraussetzung dafür ist auch weiterhin, dass das britische Parlament den mit der EU ausgehandelten Brexit-Vertrag annimmt. Gelingt dies bis zum 22. Mai, muss das Land auch nicht mehr an den Wahlen zum europäischen Parlament teilnehmen. Gelingt dies nicht und nimmt UK nicht an den Wahlen teil, erfolgt der Austritt quasi-automatisch zum 1. Juni. Nimmt es an den Wahlen teil, kann der Austritt auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Die EU hat deutlich gemacht, dass das Austrittsabkommen weiterhin nicht verhandelbar ist. Nur die politische Erklärung zu den zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und UK kann noch geändert werden.

Die Briten müssen das Brexit-Abkommen durch das Parlament bekommen, um geordnet aus der EU austreten zu können. Danach sieht es nicht aus, sodass ein ungeordneter Brexit unverändert ein großes Risiko bleibt. Dieses Risiko ist bei den aktuellen GBP-Kursen nicht eingepreist. Die Anleger setzen jedoch darauf, dass es irgendeine Art der Lösung gibt

Sintje Boie

Marketingmitteilung

Dr. Cyrus de la Rubia

Chefvolkswirt

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