Ernüchterung über die Konjunktur

„In der kommenden Woche dürfte die Fed sowie die US-Arbeitsmarktdaten den Renditen wieder Auftrieb geben“, sagt Sintje Boie von der Hamburg Commercial Bank.

Die Marktteilnehmer hatten die Hoffnung gehabt, dass der ifo-Geschäftsklimaindex im April nach dem Anstieg im März nochmals leicht zulegen könnte, getrieben von einer besseren Einschätzung der Erwartungen angesichts nicht mehr so hoch gewichteter Risikofaktoren. Doch die Hoffnungen wurden enttäuscht. Der ifo-Index ist wieder gesunken. Der Anstieg im Vormonat war der erste nach sechs Rückgängen in Folge. Insbesondere im Verarbeitenden Gewerbe hat sich die Stimmung erneut merklich verschlechtert. Die Unternehmen schätzen ihre aktuelle Lage nochmals schlechter ein. Auch mit Blick auf die kommenden Monate hat der Pessimismus zugenommen.

Die Veröffentlichung der Schnellschätzung der Einkaufsmanagerindizes am vergangenen Donnerstag (18.04.) und die dann enttäuschten Hoffnungen auf eine Erholung der Indizes hatte die Staatsanleiherenditen erstmals unter Abwärtsdruck gesetzt. Zehnjährige Bund-Renditen waren wieder in Richtung der Nulllinie gefallen, ihre amerikanischen Pendants hatten sich von der Marke von 2,60 % fortbewegt. Die Veröffentlichung des ifo-Geschäftsklimaindizes hat die Enttäuschung der Anleger geschürt und die Renditen weiter nach unten getrieben. Die Verzinsung der Bundesanleihen ist aktuell leicht negativ und die der Treasuries liegt bei rund 2,50 %. Der Zickzackkurs dürften bei den Renditen zunächst weitergehen, solange sich noch keine nachhaltige Stabilisierung der Konjunktur abzeichnet.

Trotz des Feiertags in der kommenden Woche – am Mittwoch (01.05.) ist Tag der Arbeit in vielen Ländern – ist einiges los. Nach den Daten zum US-BIP im ersten Quartal 2019 wird das europäische Pendant dazu am Dienstag (30.04.) veröffentlicht. Unseres Erachtens ist mit einem leichten Plus beim BIP zu rechnen. Zum Schlussquartal 2018 hatte die Wirtschaft in der Eurozone mit 0,2 % gegenüber dem Vorquartal zulegen können. Zahlen zur Industrieproduktion legen nahe, dass diese zum Jahresauftakt 2019 erstmals seit der ersten Jahreshälfte 2018 wieder gestiegen sein könnte, was das Wachstum stützen würde. Daneben werden die endgültigen Einkaufsmanagerindizes für die Eurozone im Verarbeitenden Gewerbe (April) veröffentlicht. Die Schnellschätzung hatte keine merkliche Verbesserung aufgezeigt.

In den USA trifft sich die Fed zu ihrer Zinsentscheidung (01.05.). Wir erwarten uns davon keine Justierung ihrer Geldpolitik. Sie dürfte erneut bekräftigen, ab Mai ihren Bilanzabbau zu verlangsamen. Die Zielspanne für die Fed Funds Rate sollte unverändert bei 2,25 bis 2,50 % belassen werden, denn die Notenbank dürfte weitere Datenveröffentlichungen abwarten, bevor sie in die eine oder andere Richtung tätig wird. Weder eine erneute Zinsanhebung noch schon wieder eine Zinssenkung ist derzeit adäquat − um das zu entscheiden, ist es noch zu früh.

Daneben stehen mit dem Arbeitsmarktbericht für April, den ISM-Indizes für das Verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor weitere hochkarätige Datenveröffentlichungen an. Am Arbeitsmarkt sollte sich noch keine größere Schwäche abzeichnen, auch wenn der Stellenaufbau etwas niedriger ausfallen könnte als im Vormonat. Die ISM-Indizes dürften der Fed einen ersten Einblick in das zweite Quartal geben. Insbesondere die Signale vom Dienstleistungssektor sollten weiterhin positiv sein.

Entscheidend für die weiteren Konjunkturperspektiven ist, wie sich der Handelskonflikt zwischen den USA und China entwickelt. Die Gespräche zwischen beiden Ländern sollen in der kommenden Woche in Peking fortgesetzt werden, in der Woche danach kommt eine chinesische Delegation nach Washington. Themen der Gespräche sind noch kritische Punkte wie u.a. der Umgang mit geistigem Eigentum oder erzwungenem Technologietransfer. Sollte sich in den Gesprächen eine Einigung zwischen beiden Parteien und damit ein Ende der Handelsstreitigkeiten erkennen lassen, würde das erneut zu einem Risk-On-Modus der Anleger und Renditeanstiegen führen. Die zehnjährigen Bund-Renditen könnten dann wieder in Richtung 0,10 % marschieren.

Aus Italien droht neues Ungemach, denn die Regierung aus Lega und 5-Sterne-Bewegung steht auf der Kippe. Derzeit entfacht sich der Streit an den Schuldenproblemen der Hauptstadt und dem richtigen Umgang damit. Das Klima zwischen den beiden Regierungsparteien ist vergiftet und ein Ende der Regierung ist nicht auszuschließen. Die beiden Regierungschefs Matteo Salvini (Lega) und Luigi Di Maio (5-Sterne-Bewegung) sprechen nicht mehr miteinander. So kurz vor der Europawahl ist wohl ein offizieller Bruch in der Regierung nicht zu erwarten, aber über kurz oder lang könnte der Konflikt eskalieren und damit zu deutlichen Spread-Ausweitungen zwischen italienischen Staatsanleihen und Bundesanleihen führen.

Sintje Boie

Marketingmitteilung

Dr. Cyrus de la Rubia

Chefvolkswirt

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