Saudi Arabien müsste eigentlich Interesse an niedrigeren Ölpreisen haben

„Kanada erledigt derzeit einen Teil des Jobs der OPEC“, beobachtet der Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, Cyrus de la Rubia.

Die Preisrallye an den Ölmärkten, die Ende Dezember eingesetzt hatte, hat zuletzt durch gegen die OPEC gerichtete Warnungen von US-Präsident Donald Trump einen Dämpfer erhalten. In der Spitze hatte Brent seit dem Tiefpunkt im Dezember 32 % zugelegt, bei WTI waren es sogar 35 %. Nach dem Trump-Tweet „Oil prices getting too high. OPEC, please relax and take it easy. (…)” gaben die Preise zunächst kräftig nach, konnten sich dann aber wieder erholen. Hinter der Äußerung des US-Präsidenten steht implizit die Drohung, mit dem so genannten NOPEC-Gesetz ernst zu machen. Letzteres sieht vor, Staaten, die sich an einem Preiskartell beteiligen, rechtlich zu verfolgen. Während dieser Gesetzentwurf die Hürde eines Komitees des Abgeordnetenhauses überwunden hat, ist offensichtlich unklar, ob der Text auch im Abgeordnetenhaus zur Abstimmung gestellt wird.

Abgesehen von den politischen und diplomatischen Risiken, die eine US-Regierung mit einem derartigen Gesetz eingehen würde, ist ein anderer Punkt mit Blick auf die Kürzungen der OPEC von besonderem Interesse. Tatsache ist, dass Saudi Arabien das im November mit den OPEC-Partnern vereinbarte Kürzungsziel – offiziell ist dies eine Förderkürzung auf 10,2 Mio. Barrel/Tag, inoffiziell dürfte der Wert noch etwas niedriger liegen – praktisch erreicht hat. Gleichzeitig hat Saudi Arabien in den letzten Wochen durch Ankündigungen weiterer darüber hinausgehender Kürzungen in der Produktion und bei den Exporten von sich reden gemacht. Dies war insoweit nachvollziehbar, als parallel dazu wenig erfreuliche Zahlen von der Konjunktur kamen und man die Preise zumindest stabil halten wollte. Bezieht man jedoch politische Überlegungen mit ein, ist das Bestreben Saudi Arabiens, kurzfristig für steigende Ölpreise zu sorgen, weniger verständlich. Je höher die Preise nämlich sind, desto schwerer dürfte es der US-Regierung fallen, die Sanktions-Ausnahmeregelungen, die für den Import von iranischem Öl für acht Länder bis Mai 2019 gelten, auslaufen zu lassen.

Umgekehrt bedeutet dies: Eigentlich müsste Saudi Arabien kurzfristig Interesse an niedrigen Ölpreisen haben, um sicherzugehen, dass die USA die Sanktionen gegen den Gegenspieler Saudi Arabiens, den Iran, vollständig umsetzt. Die OPEC scheint im Übrigen bei der Stabilisierung der Preise derzeit ein relativ leichtes Spiel zu haben. Zumindest im Januar kam kräftige Unterstützung aus Kanada, das etwa 400.000 Barrel/Tag weniger gefördert hat als im Vormonat. Auch hier hat die Politik ihre Hände im Spiel. Anfang Dezember hat die Regierungschefin der Provinz Alberta, Rachel Notley, von den Förderunternehmen eine Kürzung der Ölproduktion um 325.000 Barrel/Tag verlangt – eine bislang nie dagewesene Maßnahme. Zu den globalen Kürzungen gesellten sich noch die üblichen Verdächtigen Venezuela und Libyen, die zusammen mit dem Iran vom OPEC-Abkommen ausgenommen sind und im Januar etwa 110.000 Barrel/Tag weniger Rohöl aus dem Boden holten. In Venezuela ist die politische Lage weiterhin sehr angespannt, so dass im Zweifel von dieser Seite das Angebot weiter verknappt wird. Insgesamt konnten die Produktionszuwächse in den USA (200.000 Barrel/Tag) sowie Großbritannien (rund 60.000 Barrel/Tag nicht im Entferntesten für einen Ausgleich sorgen.

In Bezug auf die Futurepreise fällt auf, dass WTI am kurzen Ende der Terminkurve weiterhin tief im Contango ist und damit ein Überschussangebot am WTI-Ölmarkt signalisiert. Bei Brent ist hingegen nach dieser Interpretation der Markt ausgeglichen, da das kurze Ende der Terminkurve nahezu flach ist. Unterstrichen wird dies durch einen satten Discount von WTI gegenüber Brent von 9,25 US-Dollar/Barrel. Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre lag die Differenz zwischen Brent und WTI bei knapp 5 US-Dollar/Barrel. Für WTI kann man angesichts des Contango argumentieren, dass hier die Abwärts- größer sind als die Aufwärtsrisiken. Schwache Konjunkturdaten dürften bei WTI besonders rasch verfangen und den Ölpreis wieder drücken. Zuletzt fassten die Marktteilnehmer in dieser Hinsicht jedoch wieder Hoffnung. Zum einen, weil die Geschäftsklimaindizes ISM für das Verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungsbereich gestiegen bzw. sich auf soliden Niveaus befinden. Zum anderen, weil die Äußerungen Trumps – die sicher mit Vorsicht zu genießen sind – einen positiven Verlauf der Handelsgespräche mit China suggerieren und die Frist zur Implementierung eines höheren Zollsatzes auf chinesische Importe ausgesetzt wurde.

Marketingmitteilung

Dr. Cyrus de la Rubia

Chefvolkswirt

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