Der Wochenkommentar

Javier Mileis Rede in Davos: Gefährlich lächerlich

Januar 2024 Der argentinische Präsident Milei hat in Davos eine Rede gehalten, die für viel Aufmerksamkeitsorgte. Das teilweise positive Echo ist irritierend.

Ein Kommentar von Dr. Cyrus de la Rubia

Dr. Cyrus de la Rubia

„Ein erfolgreicher Unternehmer ist ein Held“. Richtig, erfolgreiche Unternehmer und Unternehmerinnen leisten in der Regel einen wertvollen Beitrag für unseren Wohlstand und unsere Gesellschaft. Insofern kann man dem argentinischen Präsidenten Javier Milei zu dieser These, die aus seiner viel beachteten Rede in Davos stammt, nur zustimmen. Davon abgesehen ist die Rede gespickt durch irreleitende Statistiken, populistische Behauptungen und Ignoranz.

Eine der Leitideen von Mileis Rede ist, dass das Beispiel Argentiniens, das von einem der reichsten Länder im Jahr 1860 auf Platz 138 heute abgerutscht ist, der Welt zur Warnung gereichen soll. Ursache für Argentiniens Abstieg sei nämlich der Sozialismus gewesen, den man in den vergangenen 100 Jahren verfolgt habe. Die Welt sei dabei, den gleichen Fehler wie Argentinien zu begehen und zu verarmen. Die Lösung sei der unregulierte Kapitalismus. Sogenanntes Marktversagen sei eine Mär. Selbst im Kapitalismus entstehende Monopole seien nicht das Ergebnis eines Marktversagens, denn auch Monopole würden Wohlstand schaffen. Im Kapitalismus gäbe es kein Marktversagen.

Argentiniens Zusammenbruch

Wo soll man anfangen? Ein Ansatzpunkt sind die 1990er Jahre. Denn entgegen der Behauptung Mileis, Argentinien habe stets den Weg des Sozialismus verfolgt, hat das Land nach den Jahren einer grausamen Militärregierung (1976 bis 1983) und der Wirtschaftskrise und der Hyperinflation (1983 bis 1989) in den 1990er Jahren eine vom Internationalen Währungsfonds geförderte neoliberale Agenda verfolgt. Unter Präsident Carlos Menem wurden Staatsunternehmen privatisiert, die Zölle gesenkt und es wurde eine Währungsreform durchgeführt, in der der Peso an den US-Dollar gekoppelt wurde. Dieses „Currency Board“, das die nahezu komplette Aufgabe der monetären Souveränität bedeutete, kommt ganz dicht an die Idee von Milei, den US-Dollar als gesetzliche Währung in Argentinien einzuführen. Auch die Privatisierungen passen in dieses Konzept. Die mit dem Currency Board verbundene Inflexibilität - eine eigene Geldpolitik ist nicht mehr möglich - und die schlichte Umwandlung von staatlichen Monopolen in private waren vermutlich die beiden wichtigsten Fehler unter Menem, die schließlich in den Jahren 2000/2001 zu einem kompletten Zusammenbruch des Landes geführt haben, wirtschaftlich und politisch.

China als Vorbild?

Milei verstrickt sich in seiner Rede in weiteren eklatanten Widersprüchen. So wird Sozialismus von ihm sehr großzügig interpretiert, im Prinzip sind damit alle Instrumente eingeschlossen, mit denen das Leben der Menschen beeinflusst wird, also „das Drucken von Geld, [Staats]Schulden, Subventionen, Kontrolle von Zinsen und Regulierungen, um sogenanntes Marktversagen zu korrigieren …“. Gleichzeitig schwärmt der argentinische Präsident, dass es in den Jahren 1950 bis 2000 zu einer Verdoppelung der globalen Wirtschaftsleistung gekommen ist, und in den Jahren 2000 bis 2023 sei dies ein weiteres Mal gelungen. Das stimmt, und hunderte Millionen Menschen sind aus der Armut befreit worden. Das alles wäre allerdings nicht ohne staatliche Institutionen möglich gewesen. Oder will Milei behaupten, dass das Land, das in den vergangenen zwanzig Jahren den mit Abstand größten Beitrag zu der globalen Wohlstandsmehrung geleistet hat – China, ein Land, in dem staatliche Unternehmen für rund 80 Prozent der Umsätze verantwortlich sind – frei von staatlichen Interventionen sei? Sie sehen, an dieser Stelle beginnt Milei sich etwas lächerlich zu machen. Apropos lächerlich, das ist das Wort, das Milei für das Streben nach Gleichberechtigung von Mann und Frau übrig hat.

Was bleibt am Ende zu sagen? Carajo, was für eine gefährliche lächerliche Rede!

Dr. Cyrus de la Rubia

Chefvolkswirt

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