Der Wochenkommentar

Fed Entscheidung: Ziehen jetzt die langfristigen Renditen nach?

September 2023 Die Fed hat wie erwartet die Zinsen gleich gelassen. Die spannende Frage ist, was das für die langfristigen Renditen bedeutet.
Ein Kommentar von Dr. Cyrus de la Rubia

Dr. Cyrus de la Rubia

Kennen Sie diese Fahrstühle, mit denen man in wenig mehr als einer Minute 50 Stockwerke nach oben fährt und dann, kurz vor dem Erreichen des Ziels, die Geschwindigkeit gedrosselt wird, es noch einige Sekunden sanft ruckelt, und nach etwas Warten schließlich die Tür aufgeht? So ähnlich war es mit den Zinsen in den USA. In einer für volkswirtschaftliche Verhältnisse rasenden Geschwindigkeit hat die Federal Reserve Bank im März 2022 angefangen ihren Leitzins anzuheben und ist jetzt, etwa anderthalb Jahre später, dabei anzukommen. Im Juni hat man dann den Bremsprozess eingeleitet und eine erste Pause eingelegt, im Juli ruckelte es noch etwas und man hat die Zinsen um 25 BP auf die Bandbreite von 5,25 bis 5,50 % angehoben. Gestern (20.09.) entschied man dann, die Zinsen dort zu lassen. Ob das Ziel nunmehr erreicht ist, ist noch nicht klar, aber vieles spricht dafür. Die spannende Frage ist, wann und ob der Fahrstuhl irgendwann auch wieder herunterfährt.

Okay, lösen wir uns von dem Fahrstuhlbild und schauen uns an, was die Fed gestern genau kommuniziert hat. Während die Tatsache, dass die US-Notenbank den Leitzins unverändert gelassen hat, kaum jemanden überrascht hat, war die wichtigste Botschaft unseres Erachtens eine andere: In den Projektionen gehen die 19 FOMC-Mitglieder im Durchschnitt davon aus, dass es – nach einem weiteren Zinsanstieg in diesem Jahr – in 2024 nur zu zwei Zinssenkungen kommen wird. Im Juni hatten die Zentralbanker noch vier Zinssenkungen für angemessen gehalten. Woher kommt der Sinneswandel, geht die Inflation doch eigentlich plangemäß runter? Es ist die unerwartete fortgesetzte Stärke der Wirtschaft, wie Powell auf der Pressekonferenz mehrfach betonte. Entsprechend ist in den Fed-Prognosen nicht nur das BIP-Wachstum für dieses Jahr hochrevidiert worden (von 1,0 auf 2,1 %, Vergleich Q4 2023 zu Q4 2022), sondern auch für das kommende Jahr (von 1,1 auf 1,5 %). Die PCE-Inflation hingegen sieht man zum Ende von 2024 unverändert bei 2,5 % (Kernrate: 2,6 %).

Powell nannte zwar einige Risiken, aber erst, als er von Journalisten auf diese angesprochen wurde. Unter diesen Risiken – wie etwa die verstärkten Streikaktivitäten, das Ende des Rückzahlungsmoratoriums von Studentenkrediten und der drohende Government Shutdown – hat der Fed Präsident die gestiegenen Ölpreise besonders stark betont und die daraus resultierenden Inflationsrisiken. Überhaupt zeigte sich Powell recht unbeirrt: Die Wiederherstellung der Preisstabilität bleibt oberste Priorität. Zwar strebe man eine sanfte Landung an, aber notfalls wird man – so muss man Powell verstehen – auch eine Rezession in Kauf nehmen. Unter dem Strich muss man aber feststellen, dass es derzeit extrem gut für Powell läuft. Die Inflation tendiert nach unten, die Arbeitslosenrate steigt leicht an, ohne wirklich weh zu tun und das BIP expandiert.

Die Fed scheint aus der vertrackten Situation einer Stagflation herauszukommen und kann wohl bald die Zinsen in gewohnter Weise in Reaktion auf die wirtschaftliche Aktivität hin anpassen und nicht in Reaktion auf nicht zu beeinflussende Angebotsschocks.

Die Beobachtung, dass die Wirtschaft trotz des dramatischen Anstiegs der Zinsen bislang nur recht milde abgebremst wurde, lässt zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder lassen größere Auswirkungen wegen der Verzögerungen zwischen der Straffung der Finanzierungsbedingungen und der wirtschaftlichen Aktivität noch auf sich warten. Oder das neutrale Zinsniveau – also das Zinsniveau, das die Ökonomie weder bremst noch beschleunigt – ist deutlich gestiegen. Im ersten Szenario würden wir im nächsten Jahr eine Rezession erleben, die Fed würde wie in früheren Zyklen die Zinsen deutlich senken und auch die langfristigen Renditen würden fallen. Im zweiten Fall hingegen würde die Fed mehr oder weniger an dem erreichten Zinsniveau festhalten. Das wiederum würde die langfristigen Zinsen, die als das die Verkettung von erwarteten kurzfristigen Zinsen interpretiert werden können, weiter nach oben treiben. Das ist das, was die Märkte derzeit offensichtlich spielen. Denn gestern sind die zehnjährigen T-Notes Renditen in Reaktion auf die Fed-Sitzung um rund 10 BP nach oben gesprungen und liegen jetzt bei 4,42 %. Die Zinsstruktur (zum Beispiel Renditen zehnjähriger T-Notes minus Leitzinsen) könnte sich, wenn sich diese Bewegung fortsetzt, vom langen Ende her wieder normalisieren und nicht, wie bislang von den meisten Prognostikern erwartet, vom kurzen Ende. Mit anderen Worten: Während der Fahrstuhl für die kurzfristigen Zinsen kurz davor ist, sein Ziel zu erreichen, ist möglicherweise der Fahrstuhl für die langfristigen Zinsen noch im Aufwärtsmodus und es ist nicht einmal ausgeschlossen, dass er ein paar Stockwerke höher fährt als der Lift für die Leitzinsen.

Dr. Cyrus de la Rubia

Chefvolkswirt und Head of Research

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