Der Wochenkommentar

Konjunkturrisiko Bab el-Mandeb

Dezember 2023 Im Süden des Roten Meers werden Handelsschiffe angegriffen. Dies birgt das Risiko, dass die ohnehin angeschlagene Weltwirtschaft doch noch in eine Rezession stürzt.

Ein Kommentar von Dr. Cyrus de la Rubia

Dr. Cyrus de la Rubia

Here we go again. Im März 2021 blockierte das Containerschiff “Ever Given“ den Suezkanal und brachte die ohnehin angespannten globalen Lieferketten zusätzlich durcheinander. Jetzt ist im Süden des Roten Meers die Meeresenge Bab el-Mandeb nur eingeschränkt befahrbar, weil Huthi-Rebellen aus dem Jemen seit einigen Wochen Schiffe unter anderem mit Drohnen angreifen. Die Angriffe der Huthi-Rebellen geschehen vor dem Hintergrund des Krieges zwischen der Hamas und Israel, bei denen die vom Iran mitfinanzierten Huthi-Rebellen die Hamas unterstützen.

Für die Weltwirtschaft ist diese Entwicklung ein Risiko, da es zu erneuten Lieferkettenproblemen und höheren Energiepreisen kommen kann, die ihrerseits wiederum den Inflationsausblick und die Zinspolitik beeinflussen.

Acht große Containerreedereien, darunter MSC, Møller Maersk, CMA CGM und Hapag Lloyd, haben in den vergangenen Tagen angekündigt, ihre Schiffe nicht mehr durch das Rote Meer fahren zu lassen. Normalerweise durchfahren im Durchschnitt 17 Containerschiffe täglich den Suezkanal. Jetzt sollen es laut Wall Street Journal noch 14 sein, aber es ist anzunehmen, dass diese Zahl von Tag zu Tag weniger wird. Auch die Ölfirma BP, die unter anderem Öl im Irak und Erdgas in Oman fördert, wird diese Route meiden. Der Beschuss von Frachtern und Tankern in der Straße von Bab el-Mandeb bedeutet, dass Schiffe, die aus dem Nahen Osten oder aus Asien in Richtung Europa fahren, den Umweg über das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika nehmen müssen. Beispielsweise verlängert sich die Strecke von Singapur nach Rotterdam um 39% auf knapp 12.000 Seemeilen. Das verlängert die Fahrzeit eines durchschnittlichen Containerschiffes bei einer angenommenen Geschwindigkeit von 14 Knoten um bis zu zehn Tage. Außerdem erhöht sich die Spritrechnung bei den heutigen Preisen für Bunker-Öl um rund 1 Million US-Dollar.

In Reaktion auf diese Entwicklungen sind die Ölpreise gestiegen. Erdöl der Sorte Brent ist seit dem 12. Dezember um 9 % teurer geworden. Der Preis liegt jetzt bei 80 US-Dollar/Barrel. Kurzzeitig ist auch Erdgas and der Börse zu erheblich höheren Preisen gehandelt worden. Letzteres ist darauf zurückzuführen, dass Katar für Europa ein wichtiger Lieferant von Flüssigerdgas ist und hier entsprechend auch mit längeren Lieferzeiten und höheren Transportkosten zu rechnen ist. Rund 8 % des weltweit geförderten und verflüssigten Erdgases wird durch das Rote Meer transportiert. Mittlerweile ist der Preis für Erdgas aber wieder deutlich gefallen.

Bei dem über Tanker transportierten Erdöl liegt der Anteil des über das rote Meer transportierten Volumens bei etwa 12 % (wobei in dieser Zahl auch das Erdöl enthalten ist, das durch die ägyptische Sumed Pipeline vom Roten Meer zum Mittelmeer transportiert wird). Betroffen sind vor allem Erdölprodukte wie Diesel und Benzin, die nach dem Lieferstopp aus Russland jetzt verstärkt aus dem Mittleren Osten und Indien nach Europa verschifft werden. Gleichzeitig wird auch russisches Rohöl zu einem wichtigen Teil über das Rote Meer nach Asien verschifft (weil es in Europa keine Abnehmer mehr findet). Da Russland die Hamas-Angriffe nicht verurteilt hat, mag es sein, dass die mit russischen Erdöl beladenen Tanker von Angriffen der Huthi-Rebellen verschont bleiben.

Die potenziellen Auswirkungen auf die weltweite Konjunktur sind im Wesentlichen die Behinderung von Lieferketten, höhere Charterraten und Transportpreise und vor allem ein neuer Energiepreisschock. In Bezug auf die Lieferketten gehen wir davon aus, dass – anders als während der Corona-Zeit – Unternehmen durch höhere Lagerbestände und Diversifizierung besser auf Verzögerungen bei Vorleistungslieferungen vorbereitet sind. Etwaige Verzögerungen lassen sich zudem einigermaßen verlässlich abschätzen, was während der Lockdowns kaum möglich war.

Wichtiger als die Lieferkettenproblematik sind die möglichen Auswirkungen auf die Energiepreise, die Inflation und die Zinsen. Sollte es zu einer erneuten und dauerhaften Verteuerung der Energiepreise kommen, würde der Abwärtstrend bei der Inflation gestoppt werden. Die Notenbanken, von denen im kommenden Jahr baldige Zinssenkungen erwartet werden, dürften zögern, diese durchzuführen. Damit könnte die erwartete weiche Landung in den USA und die erhoffte vorsichtige Erholung in der Eurozone gefährdet werden.

Derweil hat die Weltgemeinschaft auf die massive Behinderung des Schiffsverkehrs in der Straße von Bab el-Mandeb reagiert. So hat die USA einen multinationalen Einsatz zur Sicherung der Schifffahrtsrouten im Roten Meer unter Beteiligung von Großbritannien, Frankreich und Spanien angekündigt. Man werde gemeinsame Patrouillen im südlichen Roten Meer und dem Golf von Aden durchführen. Gut möglich, dass diese Gegenmaßnahmen den Handelsschiffen wieder die sichere Durchfahrt durch das Rote Meer ermöglichen. Zu Verzögerungen wird es vermutlich dennoch kommen und das Risiko besteht fort, dass Angriffe auf Handelsschiffe intensiviert werden. Dass das erwartete Wirtschaftswachstum in 2024 auf wackeligen Füßen steht, wird durch die aktuellen Entwicklungen nochmals unterstrichen.

Dr. Cyrus de la Rubia

Chefvolkswirt

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